Wer auf der Suche nach einer Satelliten-Empfangsanlage durch die Angebote der Fachmärkte streift, stößt bei den Werbeaussagen der Hersteller auf so manchen technischen Unfug. Wenn die Kaufentscheidung dann letztlich auf einem nicht existierenden technischen Vorteil beruht, darf man sich als Kunde zu Recht getäuscht fühlen – Wir klären auf, welche Marketing-Erfindungen Sie skeptisch machen sollten.
Die Grenze zwischen Werbung und bewusster Täuschung ist nicht immer leicht zu ziehen. Während man sich bei Produkten des täglichen Lebens gegen Übertreibungen und Gesundheitsversprechen als Kunde bereits gut gewappnet fühlt, lässt man sich bei technischen Produkten doch leicht aufs Glatteis führen.
Unsicherheit beim TV-Empfang
Mit der Digitalisierung der verschiedenen TV-Empfangswege und der Einführung neuer Bildtechnologien ist der TV-Empfang vielschichtiger und komplexer geworden. Ein kleines Wörterbuch zur Welt des digitalen Fernsehens, das SES Astra im vergangenen Jahr als Werbemittel verteilte, listet über 170 Begriffe von 3D Sound bis ZF-Verteilung. Nimmt man nun in Rechnung, dass viele Zuschauer gar nicht so genau wissen, ob Sie ihre Fernsehprogramme per Antenne, Kabel, Satellit oder Internet empfangen, wird die Schwierigkeit schnell klar.
Sat-Antenne mit HD-Empfang
Der HD-Showcase zur Fußball-WM 2006, die vom 9. Juni bis 9. Juli in Deutschland ausgetragen wurde, stellte für Viele deutsche Zuschauer den Erstkontakt zum hochauflösenden HDTV dar. Die Meisterschaft markiert vermutlich auch die Geburt der ersten HD-fähigen Satelliten-Antenne. Der Begriff, dem man derzeit möglicherweise noch hätte aufklärenden Charakter unterstellen können, wird inzwischen in vielfältiger Weise als Kunden-Fänger variiert.
Eine Sat-Antenne ist eine Sat-Antenne, ist…
So treffen Kunden heute auf herkömmliche Satelliten-Antennen, die von den Herstellern als HD-fähig, Ultra HD-fähig, 4K-fähig, HD+ fähig, Sky-fähig, 3D-fähig, Smart-TV-fähig ausgestattet angepriesen werden – die jedoch entgegen dem erweckten Eindruck auf sämtliche Satelliten-Antennen moderner Bauart zutreffen. Seien sie nun mit entsprechenden Werbeauszeichnungen versehen oder nicht.
Marketing oder Täuschung?
Ob es sich bei solchen Auszeichnungen um Marketing oder Täuschung handelt, ist auch für Experten nicht pauschal zu beantworten. Michael Gundall von der Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz e.V. erklärt: „Eine Täuschung der Marktteilnehmer, durch unwahre Angaben über wesentliche Merkmale einer Ware, ist unzulässig. Aber auch die Werbung mit richtigen Angaben kann unzulässig sein. Das ist nach der Rechtsprechung des BGH immer dann der Fall, wenn Werbebehauptungen etwas Selbstverständliches in einer Weise hervorheben, dass der Adressat der Werbung hierin einen besonderen Vorzug der beworbenen Ware vermutet.“ Selbstverständlichkeiten wären in diesem Zusammenhang gesetzlich vorgeschriebene Eigenschaften wie Gewährleistungsrechte oder Umstände, die zum Wesen der Ware gehören wie z. B. ein wetterfestes LNB-Gehäuse oder Eigenschaften, die entsprechende Angebote der Mitbewerber ebenfalls aufweisen z. B. die Bezeichnung ‚Sky-tauglich‘, wenn die Produkte der Mitbewerber dies auch sind.
Erkennbar selbstverständlich
„Kann der Verbraucher jedoch erkennen, dass es sich bei dem beworbenen Vorteil um etwas Selbstverständliches handelt, ist dies nicht zu beanstanden.“ Ein werbender Hinweis darauf, dass „…für alle Produkte selbstverständlich ebenfalls die gesetzliche Gewährleistungsfrist von 2 Jahren gilt…“ sei laut BGH demnach zulässig. In diesem Fall werde der Verbraucher darüber aufgeklärt, dass ihm keine Rechte eingeräumt werden, die ihm nicht schon kraft Gesetzes zustehen. „Ebenfalls nicht zu beanstanden ist die Werbung mit Selbstverständlichkeiten, wenn dadurch dem Informationsinteresse der Marktteilnehmer nachgekommen wird“, so Gundall weiter. „Nicht zu beanstanden sind demnach zurückhaltend gestaltete Artikelbeschreibungen. Tauchen hier Begriffe wie ‚Sky-tauglich‘ oder ‚4K fähig‘ bei einem LNB auf, so ist dies rechtlich nicht zu beanstanden.“ Das entscheidende Merkmal bei der Werbung mit Selbstverständlichkeiten ist also, dass eine Standardeigenschaft bzw. ein „Standardrecht“ als etwas Besonderes herausgestellt wird. „Letztendlich kommt es hierbei aber immer auf die konkreten Umstände des Einzelfalls an.“
Sat-Übertragung unverändert
Bei unserem Beispiel der für Ultra HD geeigneten Satelliten-Antenne können wir also annehmen, dass der Kunde hier eher informiert, als getäuscht wird. Selbstverständlich sind die aufgeführten Eigenschaften dennoch für alle marktüblichen Satellitenantennen. Die grundlegende Technik der Satellitenübertragung ist im Prinzip unverändert. So wurden bei der Digitalisierung des Satellitenfernsehens zwar die genutzten Datenformate auf DVB-S, DVB-S2 umgestellt und der genutzte Frequenzbereich um das Highband erweitert. Doch die Satellitenübertragung basiert noch immer auf denselben Prinzipien.
Kompatible Empfangsgeräte
So könnte man sogar mit einer alten „analogen“ Satellitenantenne mit entsprechendem LNB z. B. einen verschlüsselten Ultra HD-Kanal inklusive eines etwaigen Redbutton Smart-TV-Angebots im Low-Band empfangen. Anders verhält es sich mit den signalverarbeitenden Empfangsgeräten wie TVs und Receivern – Diese müssen im Gegensatz zur Antenne dann sämtliche Standards unterstützen, in diesem Fall wären dies DVB-S2 und HEVC für Ultra HD-Format, CI Plus zur Aufnahme eines HD+ oder Sky-Entschlüsselungsmoduls sowie HbbTV und eine LAN/WLAN-Konnektivität zum Verständnis der HTML5-Inhalte zur Einbindung des Internetbasierten Smart-TV-Angebots.
LNB-Schutzhauben
Auch der Wettereinfluss auf den Satellitenempfang wird gerne als Problem herangezogen, für das sich dem interessierten Kunden extrem schlichte und dafür umso vehementer angepriesene Mittel andienen. So mindern sogenannte LNB-Wetterschutzhauben vermeintlich „erheblich Empfangsstörungen von Sat-Anlagen durch Vogelkot oder schlechtes Wetter, wie Regen, Schnee, Hagel, Eis“ und „verlängern zusätzlich die Lebensdauer des LNBs.“ Beides ist aus gleich mehreren Gründen unzutreffend.
Starke Signale
So sind die Empfangssignale der beiden wichtigsten Orbitpositionen in Deutschland Astra 19,2° Ost und Eutelsat 13° Ost ohnehin so stark, dass sie teils schon beim Empfang mit klassischen 60 cm-Spiegeln gedämpft werden müssen, um nicht zu übersteuern – insbesondere beim HD-Empfang immer wieder ein gern auftauchendes Problem, dass sich mit einem Dämpfungsglied mühelos lösen lässt.
Regen, Schneefall, Hagel
Was Regen, Schneefall und Hagel betrifft, fällt dieser ja in den kompletten Strahlengang des Empfangssignals – so hört es 5 cm vor dem LNB auch mit einer Wetterschutzhaube nicht auf zu regnen, zu hageln oder zu schneien. Bei Schneefall stellt zudem der sich vor dem LNB auf dem Feedausleger türmende Schnee das Problem dar. Für den allgemeinen Wetterschutz der Elektronik vor eindringender Feuchtigkeit ist durch die Hersteller ohnehin gesorgt. Schön auch, wenn LNB-Gehäuse möglichst UV-fest sind, wenige Kanten und Haftflächen für Verschmutzungen, Algen und Moose bieten und Wasser gut ablaufen lassen. Auch rostfreie Schraubelemente, Aluminium-Halterungen und pulverbeschichtete Spiegel sind echte Vorteile einer Satelliten-Antenne und erhöhen die Lebensdauer. Wer Pech hat, fängt sich mit einer zusätzlichen Wetterhaube hingegen ein thermisches Problem ein – und schädigt sein LNB im sommerlichen Hitzestau.
LTE geschützte LNBs
Der vermeintliche Schutz vor Einstrahlungen und Störsignalen ist ebenfalls ein gern genutzter Trumpf im Märchenland des digitalen Sat-Empfangs. So fiel uns jüngst ein Prospekt zu neuen „LNBs mit optimaler Mobilfunk-Abschirmung“ in die Hände. Im Text klärt der Hersteller auf: „Immer mehr LTE-Antennenstandorte verursachen Störstrahlung, die Ihren Kunden das TV-Erlebnis verdirbt. Trotz optimal ausgerichteter Satelliten-Antennen entstehen immer häufiger Störungen, die ein kurzes Einfrieren der TV-Bilder oder Tonaussetzer verursachen.“
Hochfrequenztechnik
Doch die Auskunft vom Hochfrequenz-Techniker fällt eindeutig aus: Rechnet man die Größe einer zum Empfang von LTE-Signalen notwendigen Antenne aus (Wellenlänge = Lichtgeschwindigkeit / Frequenz), so ergibt sich eine Antennengröße von rund 43 cm. Lambda-Viertel – ein gängiges Maß für Empfangsantennen – läge somit bei über 10 cm. Ein Blick in ein offenes LNB offenbart auch dem Laien, dass jedes Sat-Empfangsteil LTE-geschützt ist. Die H- und V-Antennen sind nur wenige Millimeter groß. Bei einem Sat-Signal um 12 GHz beträgt Lambda rund 2,5 cm, ein Viertel davon grob 6 mm. In die wenige Millimeter kleinen H- und V-Antennen eines Sat-LNBs kann LTE nicht hineinströmen.
Wenn Marketing auf Verunsicherung setzt
Von solch fachlichen Überlegungen abgesehen, sind hochwertige LNBs in aller Regel aus Metall gefertigt – und damit bis auf ihren spezifischen Einfallswinkel ohnehin vor Einstrahlungen sicher. Wer beim Marketing auf Verunsicherung baut, setzt das Vertrauen seiner Kunden schamlos aufs Spiel. Ob man im Gegenzug als Kunde nicht doch vielleicht mit dem Produkt eines Herstellers besser beraten ist, der sauberer und fairer informiert, ist eine Frage, die jeder für sich selbst beantworten muss.